Regierungschef Fico angeschossen und lebensgefährlich verletzt
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Regierungschef Fico angeschossen und lebensgefährlich verletzt

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Slowakei: Fico nach stundenlanger OP wohl außer Lebensgefahr

Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist nach einem Attentat stundenlang operiert worden. Vize-Premier Taraba sagte, der Zustand des Premiers sei nicht mehr lebensbedrohlich. Am Vormittag tagen der slowakische Sicherheitsrat und die Regierung.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Der slowakische Regierungschef Robert Fico schwebt mehrere Stunden nach dem Attentat offenbar nicht mehr in Lebensgefahr. Vize-Ministerpräsident Tomáš Taraba sagte am späten Abend der BBC, die Operation sei gut verlaufen. Er glaube, dass Fico überleben werde. Die Zeitung "Denník N" berichtete in der Nacht auf ihrer Internetseite, Fico habe nach der Operation wieder das Bewusstsein erlangt.

Laut slowakischen Medien kommt am Vormittag wegen des Attentats der slowakische Sicherheitsrat zusammen. Auch die Regierung werde beraten, hieß es.

Fünf Schüsse auf offener Straße

Fico war am Nachmittag in der Stadt Handlova auf offener Straße niedergeschossen worden und schwebte in Lebensgefahr, wie die Regierung auf Ficos Facebook-Seite schrieb. Um ihn möglichst schnell operieren zu können, wurde er per Hubschrauber nach Banská Bystrica gebracht, ein Flug in die Hauptstadt Bratislava hätte zu lange gedauert. "Die nächsten Stunden werden entscheiden", hieß es in dem kurzen Post.

Laut Verteidigungsminister Robert Kaliňák fielen insgesamt fünf Schüsse. Fico habe ein Polytrauma erlitten, also mehrere Verletzungen. Die Operation dauerte mehrere Stunden. Noch kurz nach 20 Uhr sprach Kaliňák von einem "sehr ernsten" Zustand des Ministerpräsidenten. Das Krankenhaus in Banská Bystrica wird von der Polizei abgeschirmt.

Innenminister: "Wir stehen vor einem Bürgerkrieg"

Der Schütze wurde unmittelbar nach dem Attentat überwältigt und festgenommen. Innenminister Matúš Šutaj Eštok sagte bei der Pressekonferenz, nach ersten Erkenntnissen gebe es eine "klare politische Motivation" für die Tat. Der mutmaßliche Täter habe angegeben, sich kurz nach der Präsidentenwahl im April dazu entschieden zu haben.

Der Tatverdächtige ist ein 71-jähriger Hobby-Schriftsteller aus der Stadt Levice im Zentrum der Slowakei. Entsprechende Medienberichte bestätigte der Innenminister. Der Schütze besaß nach Angaben seines Sohnes legal eine Waffe. Medien zufolge soll der Mann beim Sicherheitsdienst eines Einkaufszentrums gearbeitet haben.

Minister Šutaj Eštok rief die Öffentlichkeit und die Journalisten auf, keinen Hass mehr zu verbreiten. Aus dem, was gesät worden sei, sei ein Gewitter geworden. "Wir stehen vor einem Bürgerkrieg." Er kündigte an, die Polizei werde einige Medienredaktionen, öffentliche Gebäude und Politiker nun schützen. Am Donnerstag solle der Sicherheitsrat einberufen worden.

Schüsse nach Kabinettssitzung

Die Schüsse waren nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova gefallen, rund 150 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bratislava, als der Regierungschef Bürgern die Hand schüttelte. Ein slowakischer Fernsehsender zeigte Aufnahmen, wie auf Fico aus der Menge heraus aus kurzer Distanz Schüsse abgefeuert werden. Laut Vize-Regierungschef Taraba traf eine Kugel den Magen, eine zweite ein Gelenk.

Präsidentin: Angriff auf die Demokratie

Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová zeigte sich in einem Fernseh-Statement "schockiert". Der körperliche Angriff auf den Regierungschef sei in erster Linie ein Angriff auf einen Menschen, es sei aber auch ein Angriff auf die Demokratie. "Die hasserfüllte Rhetorik, deren Zeugen wir in der Gesellschaft sind, führt zu hasserfüllten Taten. Lassen Sie uns das bitte stoppen."

Der Nationalrat, das slowakische Parlament, brach seine Beratungen am Nachmittag ab - und wird in dieser Woche auch nicht mehr zusammenkommen, wie der stellvertretende Vorsitzende Peter Žiga mitteilte.

Künftiger Präsident: Bedrohung der slowakischen Demokratie

Der gewählte künftige slowakische Präsident Peter Pellegrini bezeichnete das Attentat als beispiellose Bedrohung der slowakischen Demokratie. Er sei entsetzt darüber, wohin der Hass wegen anderer politischer Ansichten führen könne. "Wenn wir andere politische Meinungen auf den Marktplätzen mit Pistolen ausdrücken, statt in Wahlräumen, bedrohen wir alles, was wir in 31 Jahren des slowakischen Staates gemeinsam aufgebaut haben."

Regierungsparteien geben Medien die Schuld

Wie der Innen- und der Verteidigungsminister gaben auch andere Vertreter der Regierungsparteien der Presse die Schuld am Attentat. Andrej Danko, der Vorsitzende der ultrarechten Slowakischen Nationalpartei (SNS), die der Regierungskoalition des Linkspopulisten Fico angehört, sagte an die Adresse von Journalisten: "Sind Sie jetzt zufrieden? Sind Sie?" Für seine Partei beginne ein "politischer Krieg". Für die Medien werde es Veränderungen geben.

Auch Ficos Parteifreund Luboš Blaha kritisierte die "liberalen Medien" und die Opposition. Er empfinde Ekel darüber, welcher Hass auf Fico verbreitet worden sei. Der Anschlag sei "das Ergebnis Ihrer Tätigkeit". Vertreter der Opposition warnten derweil davor, die Spannungen weiter anzuheizen.

Die slowakische Polizei rief die Bevölkerung auf Facebook dazu auf, auf Hasskommentare und Drohungen in den sozialen Netzwerken oder unter Artikeln in Online-Medien zu verzichten. Diese führten zu einer weiteren Eskalation. Die Polizei werde sich mit Kommentaren, die Straftatbestände erfüllen, befassen.

Bildrechte: REUTERS/Radovan Stoklasa
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Festnahme des mutmaßlichen Angreifers

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